Das OLdPhras-Projekt
Die historische Phraseographie ist von einem synchronen Blickwinkel geprägt
Phraseme und klassische Nachschlagewerke harmonieren in etwa so gut wie Elefanten und Porzellanläden. Beide, also sowohl die Phraseme als auch die Elefanten, sind für die Strukturen des jeweils anderen zu groß, zu ungelenk und starr und in übertragener Weise oft auch zu ergraut und zu dickhäutig.
Was findet der Wissbegierige, der in einem Wörterbuch oder Lexikon etwas über den "Elefanten im Porzellanladen" herausfinden möchte? Eine Erkenntnis wird lauten, dass Informationen zur Geschichte eines Phrasems in der Regel aus zwei statischen Punktaufnahmen bestehen: einem Früher und einem Heute. Der Weg von einem zum anderen bleibt im Dunkeln, auch weil man in der phraseologischen Forschung lange Zeit offensichtlich dem Irrtum erlegen ist, mit der Herausbildung des Neuhochdeutschen wäre auch die Phraseologisierung weitgehend abgeschlossen. Diesem Irrtum fiel eine Beschreibung der phraseologischen Wandelprozesse, die im Neuhochdeutschen auf mehreren miteinander vernetzten Ebenen in Gang kamen, zum Opfer. Der phraseologische Wandel ist in den bestehenden Nachschlagewerken heute nicht nachzuvollziehen.
Der phraseologische Wandel erfordert eine diachrone Perspektive
Im Rahmen des OLdPhras-Projekts bilden detaillierte Überlegungen über phraseographische Strukturen und Fortschritte in der historischen Korpuslinguistik die Grundlage für eine Phraseographie, die sich nicht nur in bewährter Tradition auf das Früher und das Heute fokussiert. Vielmehr wird "historisch" als "diachron" im Sinne eines kontinuierlichen Prozesses verstanden und umgesetzt.
Gedruckte Wörterbücher und Lexika wie auch digitale Werke, solange sie lediglich Digitalisate ihrer gedruckten Vorgänger sind, können den heterogenen Erscheinungsformen der Phraseologie nicht gerecht werden. Zu vielfältig sind die Variation von Formen und Bedeutungen und zu komplex die Verstrickungen von Etymologie und Volksetymologie. Diese im Vergleich zu den Einzellexemen deutlich erhöhte Varianz der Phraseme lässt sich durch den phraseologischen Wandel erklären, der drei miteinander interferierende Ebenen betrifft:
Projektziele
Aus phraseographie-theoretischer Sicht ist die Konsequenz einer diachronen Beschreibung der historischen Phraseologie des Deutschen, dass die Lexikoninformationen je nach individueller Suchanfrage dynamisch generiert werden müssen. Nur so kann dem Benutzer für jeden sprachhistorischen Zeitpunkt eine adäquate Erklärung angeboten werden, welche auf dem für den Zeitraum relevanten Datenmaterial basiert.
Mit dem OLdPhras-Projekt verfolgen wir drei Hauptziele:
- Eine digitale phraseographische Struktur zu entwerfen und implementieren, die eine dynamische Datenabfrage und -aufbereitung ermöglicht und damit in dieser Form erstmals in der Geschichte der Lexikographie die Diachronie als kontinuierlichen Prozess darzustellen vermag.
- Das Online-Lexikon zur diachronen Phraseologie mit einer erheblichen Menge an phraseographisch aufbereiteten Daten zu speisen, sodass mit Ablauf der Projektzeit ein funktionstüchtiges und ergiebiges Nachschlagewerk vorliegt.
- Die historische Phraseologieforschung mit statistischen und korpus(beleg)basierten Auswertungen zu bereichern. Auf der Basis der phraseographischen Daten von OLdPhras wird eine Spezifizierung von typischen Phraseologisierungsprozessen und Musterbildungen angestrebt.