durch die Hände sehen (DWB – ‚sehen‘).
Das Phrasem wird in den Belegen folgendermassen verwendet:
DWB – ‚sehen‘: nicht kennen wollen
DWB: nicht berücksichtigen, übersehen. DIEF. gloss. 186c dissimilare, verachten
LdSpR – ‚Finger‘: eigentlich: nicht mit vollem Blick hinsehen
DWB – ‚gitter‘: etwas nicht genau sehen wollen
Borchardt: Nachsicht walten lassen, milde urteilen
DWB – ‚übersehung‘: einem [23,543] etwas hingehen last
Duden 11 – ‚Finger‘: [jmds.] unkorrektes Verhalten nachsichtig übersehen
LdSpR – ‚Finger‘: Nachsicht üben, milde urteilen
DWB – ‚durch‘: nachsichtig beurtheilen, über etwas hinweg sehen, es nicht bemerken wollen, connivere [MAALER 136a. HENISCH 1099a. FRISCH 1, 268a]
DWB – ‚gerad‘: fünf gerade sein lassen, es nicht so genau nehmen
DWB – ‚gucken‘: tun, als ob man etwas nicht sieht, was unerlaubt oder gegen die ordnung geschieht
DWB – ‚sehen‘: nachsicht mit einem haben, absichtlich nicht bemerken, was ein anderer verfehlt, wer durch die finger sieht, sieht absichtlich nicht genau
DWB – ‚zublicken‘: verstohlen sich ansehen: connivere
Duden 11 – ‚Finger‘: nicht aktiv werden können, der Unterlegene sein
Das Phrasem kommt in folgenden Textsorten vor:
Das Phrasem wird in folgenden sprachlichen Kontexten verwendet:
DWB – ‚sehen‘: „(hier wird die wendung anders aufgefaszt): BORCHARDT sprichw. redensarten belegt auch durch die hend sehen“
LdSpR – ‚Finger‘: „Diese Wendung, die früher wohl von der entsprechenden Handgebärde begleitet wurde, hat im heutigen Sprachgebrauch viel von ihrer einstigen Bildhaftigkeit verloren. In der heutigen Verwendung einem durch die Finger sehen kann der Dativ sogar zu der Auffassung führen, hier sei von den Fingern des andern die Rede; ›einem‹ ist jedoch zu verstehen als ›einem gegenüber‹. | In älterer Sprache verband man mit der Redensart noch die klare Vorstellung vom Vorhalten der gespreizten Finger vor das eigene Gesicht; dadurch wird das Blickfeld durchschnitten und das Sehen folglich erschwert. Der Holzschnitt Nr. 33 in Sebastian Brants ›Narrenschiff‹ (1494) zeigt einen Mann mit der Narrenkappe, der durch seine Finger sieht, während seine Frau ihm mit einem Hälmchen auf der Nase spielt. Daruber steht der Vers: || Wer durch die fynger sehen kan | Vnd loßt syn frow eym andern man | Do lacht die katz die müß süß an. || In der gleichen charakteristischen Pose ist z.B. auch der Kölner Stadtnarr Pankraz Weinstock genannt Worbel von dem holländischen Maler Jan Mostaert von Haarlem (1475 bis 1555) dargestellt worden. | In einer seiner Predigten bemerkt Geiler von Kaysersberg, daß »Gott durch die Finger sieht und sein Straf verlängert«, d.h. hinauszögert. In lateinischer Form findet sich die Wendung 158 bei August Bebel (Nr. 583): »Per digitos videre; est surda aure et sciens aliquid praeterire«; Luther gebraucht sie in seiner Bibelübersetzung (Lev 2, 4) und auch sonst, z.B. in dem Spruch (Heuseler Nr. 81): »Wer nicht kann durch die Finger sehn, der kann nicht regieren«; sie erscheint ferner bei Hans Sachs (»So er heuchlich durcht finger sech«), bei Oldecop S. 612 (»De prinz mit den sinen sah dar to durch de fingers«), bei Grimmelshausen und bei Abraham a Sancta Clara. Im gleichen Sinne gebraucht sie noch Goethe 1789 im ›Tasso‹ (I,2, Leonore zum Fürsten): »Wir wollen freundlich durch die Finger sehen«. Die Redensart ist mundartlich noch sehr verbreitet und wird in der Volkssprache auch durchaus noch wörtlich verstanden, z.B. elsässisch ›durch die Finger lueje‹, rheinisch ›e guck durch de Finger‹, er ist nicht so streng.“
Duden 11 – ‚Finger‘: „Die Bildlichkeit dieser seit Beginn des 15. Jahrhunderts belegten Wendung be-zieht sich darauf, dass man durch Vorhalten der gespreizten Finger vor das Gesicht das Blickfeld einengt.“
LdSpR – ‚Finger‘: „Diese Wendung, die früher wohl von der entsprechenden Handgebärde begleitet wurde, hat im heutigen Sprachgebrauch viel von ihrer einstigen Bildhaftigkeit verloren. In der heutigen Verwendung einem durch die Finger sehen kann der Dativ sogar zu der Auffassung führen, hier sei von den Fingern des andern die Rede; ›einem‹ ist jedoch zu verstehen als ›einem gegenüber‹. | In älterer Sprache verband man mit der Redensart noch die klare Vorstellung vom Vorhalten der gespreizten Finger vor das eigene Gesicht; dadurch wird das Blickfeld durchschnitten und das Sehen folglich erschwert. Der Holzschnitt Nr. 33 in Sebastian Brants ›Narrenschiff‹ (1494) zeigt einen Mann mit der Narrenkappe, der durch seine Finger sieht, während seine Frau ihm mit einem Hälmchen auf der Nase spielt. Daruber steht der Vers: || Wer durch die fynger sehen kan | Vnd loßt syn frow eym andern man | Do lacht die katz die müß süß an. || In der gleichen charakteristischen Pose ist z.B. auch der Kölner Stadtnarr Pankraz Weinstock genannt Worbel von dem holländischen Maler Jan Mostaert von Haarlem (1475 bis 1555) dargestellt worden. | In einer seiner Predigten bemerkt Geiler von Kaysersberg, daß »Gott durch die Finger sieht und sein Straf verlängert«, d.h. hinauszögert. In lateinischer Form findet sich die Wendung 158 bei August Bebel (Nr. 583): »Per digitos videre; est surda aure et sciens aliquid praeterire«; Luther gebraucht sie in seiner Bibelübersetzung (Lev 2, 4) und auch sonst, z.B. in dem Spruch (Heuseler Nr. 81): »Wer nicht kann durch die Finger sehn, der kann nicht regieren«; sie erscheint ferner bei Hans Sachs (»So er heuchlich durcht finger sech«), bei Oldecop S. 612 (»De prinz mit den sinen sah dar to durch de fingers«), bei Grimmelshausen und bei Abraham a Sancta Clara. Im gleichen Sinne gebraucht sie noch Goethe 1789 im ›Tasso‹ (I,2, Leonore zum Fürsten): »Wir wollen freundlich durch die Finger sehen«. Die Redensart ist mundartlich noch sehr verbreitet und wird in der Volkssprache auch durchaus noch wörtlich verstanden, z.B. elsässisch ›durch die Finger lueje‹, rheinisch ›e guck durch de Finger‹, er ist nicht so streng.“