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(a) kein Blatt vor den Mund nehmen (32✕) 

Formale Varianten in Wörterbüchern

  • kein Blatt vor den Mund nehmen (Adelung).

  • kein Blatt vor den Mund nehmen (Borchardt).

  • sich kein Blatt vor den Mund nehmen (Borchardt).

  • Kein Blatt vor den Mund nehmen / Kein Blatt vor das Maul nehmen / (DWB – ‚Blatt‘).

  • Kein Blatt vor den Mund nehmen / Kein Blatt vor das Maul nehmen / (DWB – ‚Deutsch‘).

  • Kein Blatt vor den Mund nehmen / Kein Blatt vor das Maul nehmen / (DWB – ‚vor‘).

  • kein Blatt vor den Mund legen (DWB – ‚Blatt‘).

  • Kein Blatt vor den Mund nehmen / Kein Blatt vor das Maul nehmen / (Duden 11 – ‚Blatt‘).

  • sich kein Blatt vor den Mund nehmen (LdSpR – ‚Blatt‘).

Diachrone Angaben dazu in Wörterbüchern

  • WddU – ‚Blatt‘: „Seit mhd Zeit.“

Transformationen

Das Phrasem wird in den Belegen folgendermassen verwendet:

  • 96,9% im Aktiv (A) / 0% im Passiv
  • 6,2% in positiver Form (+) / 93,8% in negierter Form
  • 100% als Aussage / 0% als Frage (?)
  • 0% satzwertig (S) / 100% satzteilwertig

Bedeutungen

  • (a) sich ohne Scheu aussprechen, geradeheraus reden (32✕) 
    Angaben dazu in Wörterbüchern
    • Adelung: freymüthig reden

    • Adelung: freymüthig, ohne Menschenfurcht reden

    • Adelung: freymüthig reden und urtheilen

    • Borchardt: sich ohne Scheu aussprechen, geradeheraus reden

    • DWB – ‚Blatt‘: kühn, offen reden

    • LdSpR – ‚Blatt‘: sich ohne Scheu aussprechen, geradeheraus reden, sich rücksichtslos, unumwunden äußern

    • WddU – ‚Blatt‘: freimütig miteinander sprechen; offen seine Meinung sagen

  • (b) jemandem tüchtig die Meinung sagen (0✕) 
    Angaben dazu in Wörterbüchern
    • LdSpR – ‚Blatt‘: jemandem tüchtig die Meinung sagen

  • In den Belegen wird das Phrasem zu 100% idiomatisch  und zu 0% wörtlich gebraucht
  • In 3,1% der Belege wird der phraseologische Gebrauch metasprachlich angezeigt
  • Explizite Hinweise auf die Bedeutung des Phrasems finden sich in 25% der Belege

Gebrauch

Das Phrasem kommt in folgenden Textsorten vor:

  • (a) Fachtext: 3,1%
  • (b) Zeitungs-/Zeitschriftentext: 0%
  • (c) Belletristik: 96,9%

Das Phrasem wird in folgenden sprachlichen Kontexten verwendet:

  • (a) konzeptionell mündlicher Kontext: 40,6%
  • (b) konzeptionell schriftlicher Kontext: 59,4%

Beschreibung der kulturhistorischen Entwicklung

Angaben in Wörterbüchern

  • LdSpR – ‚Blatt‘: „Die Redensart spiegelt eine alte Theatersitte wider. Die Schauspieler machten sich unkenntlich, indem sie Blätter vor ihr Gesicht hielten. Sie konnten dann manches vorbringen, ohne später dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Einen Beleg dafür gibt Francisci im ›Sittenspiegel‹ (S. 638b), wo es heißt: »Ehe die Komödianten die Masken erfanden, haben sie das Gesicht mit Feigenblättern verstellt und also ihre Stichelreden vorgebracht«. | Wer also kein Blatt vor den Mund nimmt, will sich nicht verstecken, sondern offen seine Meinung bekennen. Bei der Redensart kann wohl auch an ein Laub- oder Papierblatt gedacht worden sein, das man zur Abdämpfung der Stimme vor den Mund hält, so wie sonst die Hand, wenn man eine unangenehme Wahrheit nicht zu laut hören lassen will. | Ähnlich drückt es Johann Fischart im ›Gargantua‹ aus: »sie spotteten durch ein Rebblatt mit abgestollener Stimme«, d.h. mit verhaltener Stimme“

  • WddU – ‚Blatt‘: „Leitet sich her entweder vom Feigenblatt im Paradies als dem Sinnbild der Verstellung oder steht im Zusammenhang mit dem Blatten des Jägers“

  • LdSpR – ‚Blatt‘: „Die Redensart spiegelt eine alte Theatersitte wider. Die Schauspieler machten sich unkenntlich, indem sie Blätter vor ihr Gesicht hielten. Sie konnten dann manches vorbringen, ohne später dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Einen Beleg dafür gibt Francisci im ›Sittenspiegel‹ (S. 638b), wo es heißt: »Ehe die Komödianten die Masken erfanden, haben sie das Gesicht mit Feigenblättern verstellt und also ihre Stichelreden vorgebracht«. | Wer also kein Blatt vor den Mund nimmt, will sich nicht verstecken, sondern offen seine Meinung bekennen. Bei der Redensart kann wohl auch an ein Laub- oder Papierblatt gedacht worden sein, das man zur Abdämpfung der Stimme vor den Mund hält, so wie sonst die Hand, wenn man eine unangenehme Wahrheit nicht zu laut hören lassen will. | Ähnlich drückt es Johann Fischart im ›Gargantua‹ aus: »sie spotteten durch ein Rebblatt mit abgestollener Stimme«, d.h. mit verhaltener Stimme“